Autor: Ulrich Seidl




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Abholung Personalausweis? Bitte mit Terminvorschlag

Abholung Personalausweis? Bitte mit Terminvorschlag

Du Sepp, gestern bekam ich Post von der Gemeinde: Mein Personalausweis sei abholbereit. Ich solle dafür einen Termin vereinbaren. Einen Termin! Zum Abholen eines Ausweises!
Ich dachte mir: Warum rufen die mich nicht einfach kurz an oder schicken mir eine E-Mail, dass der Ausweis da ist? Meine E-Mail-Adresse ist der Gemeinde ja bekannt – ich habe in der Vergangenheit schon mehrfach Termine auf diesem Weg vereinbart.
Pflichtbewusst griff ich also sofort zum Telefon, um die im Schreiben genannte Dame zu erreichen – leider ohne Erfolg. Also setzte ich mich an meinen PC, schrieb eine E-Mail an die Gemeinde, um einen Termin zu vereinbaren … und bekam prompt eine Abwesenheitsnotiz zurück.
Am nächsten Tag kam dann tatsächlich eine Antwort – mit einem Terminvorschlag, den ich natürlich brav bestätigte.

Ganz ehrlich: Ich finde es schon erstaunlich, welch ein bürokratischer Marathon heute nötig ist, nur um ein kleines Kärtchen von der Gemeinde abzuholen.
1. Erst das Schreiben der Gemeinde – entworfen, ausgedruckt, gefaltet, eingetütet, adressiert, frankiert
(95 Cent innerhalb desselben Ortes!).
2. Dann mein erfolgloser Versuch, telefonisch einen Termin zu vereinbaren.
3. Schließlich der E-Mail-Verkehr, bis der Termin endlich stand.

Man mag sagen, das sei übertriebene Aufregung. Aber hochgerechnet auf tausende Gemeinden in Deutschland ist das kein Einzelfall, sondern ein landesweites Phänomen.
Früher war das einfacher: Man ging zur Gemeinde, sagte kurz Hallo – und fünf Minuten später war alles erledigt. Da saß die Fanny, und um sie herum die Gemeindeangestellten – hilfsbereit, ansprechbar, menschlich.
Heute dagegen sitzt jeder in seinem nicht gerade kleinen Einzelbüro (zumindest ist das bei uns so) – und ohne Termin läuft gar nichts mehr. Selbst wenn’s nur darum geht, einen Personalausweis abzuholen, was keine halbe Minute dauert.

Da fragt man sich wirklich, wie viel Zeit, Papier, Porto und Energie in Deutschland jeden Tag dafür draufgehen, dass man „bürokratisch korrekt“ an seinen Ausweis kommt. Hauptsache, alles ist ordentlich terminiert!

Auf der einen Seite wollen Gemeinden Gebühren sparen, indem sie bei Zahlungen nur EC-/Girocard akzeptieren und Kreditkarten wie Mastercard, Visa oder Amex ablehnen. Auf der anderen Seite geben genau dieselben Gemeinden 95 Cent für einen Brief aus, nur um mitzuteilen, dass der Ausweis abholbereit ist – obwohl es deutlich einfacher ginge:
- Eine E-Mail wäre kostenlos
- Eine SMS würde praktisch nichts kosten
- Ein kurzer Anruf wäre ebenfalls kostenlos

Ein Klassiker der deutschen Verwaltung: Man optimiert dort, wo man vermeintliche Kosten sieht – nicht dort, wo tatsächlich welche entstehen.

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